Vor dem Hintergrund der Erinnerungen an den Beginn des 1. Weltkrieges kommen Jugendliche auf Frankreich, Deutschland und Bosnien-Herzegowina in Sarajevo zusammen.
Die Stadt wurde im Juni 1914 zum Schauplatz des kriegsauslösenden Attentats am österreichischen Thronfolgers. In den Jahren 1992-1996 wurde sie, im Rahmen des jugoslawischen Bürgerkrieges, von bosnischen Serben brutal belagert, zehntausende Einwohner verloren in dieser Zeit ihr Leben. Die Wunden dieses Konfliktes sind bis heute nicht verheilt. Sarajevo ist aber auch eine Stadt, in der es eine jahrhundertelange Tradition des Zusammenlebens verschiedener Kulturen und Religionen gibt, die allerdings durch den Bürgerkrieg schwer erschüttert worden ist. In dieser Stadt treffen Geschichte und Gegenwart in einem Maße aufeinander, wie nur an wenigen Orten in Europa. In diese zeitlichen und politisch-historischen Koordinaten stellt sich das Projekt "Sarajevo_2014".
Die Jugendlichen, aus den drei Ländern, werden sich jeweils aus ihrer Perspektive mit den Fragen nach den Ursachen von Kriegen damals und heute und den Fragen des Zusammenlebens verschiedener Kulturen öffnen. Sie werden sich mit dem Erleben von persönlichen, ethnischen und nationalen Grenzen beschäftigen, sowie den Chancen des Zusammenkommens von Menschen unterschiedlichster Herkunft und der Vision eines gemeinsamen Europas in Vielfalt auseinandersetzen. Neben der geistig-interlektuellen Beschäftigung mit den genannten Markierungen steht die Bearbeitung der Themenfelder, mit den Mitteln des modernen Tanztheaters. Sie stellt die zentrale Form der Auseinandersetzung dar. Unter der Anleitung eines internationalen Choreografenteams entwicklen die 51 Jugendlichen eine 50-minütige Tanzperformance, die am 9.8.2014 im Centar Za Djecu/Omladinu - Jugendkulturzentrum Grbavica in Sarajevo uraufgeführt wird. Im Herbst/Winter 2014 kommt das Stück dann erneut in Forbach und Saarbrücken auf die Bühne.
Programm
Ein Vorbereitungswochenende
zum Projekt "Sarajevo_2014" zum Thema „Der 1. Weltkrieg und was er mit uns zu tun hat “ – vom 4.7.-6.7.2014 in Peltre (bei Metz)
Freitag, 4.7.2014
15h Ankommen und Begrüßung
16h-17h Kennenlernen und Klärung der Motivation zum Wochenende
17h-18.30h Bilder vom Krieg
- Die Jugendlichen malen Bilder zum Thema Krieg
Anschl. Austausch in 3er Gruppen zu den jeweiligen Bildern
18.30h Abendessen
19.30h- 21.00h Bilder werden im Plenum vorgestellt anschl. offener Austausch
21.15h-22.00h Hinführung zum Thema 1. Weltkrieg
Vorlesen von Feldbriefen französischer und deutscher Soldaten
22.00h-23.00h Tanzen zum Auflösen der ernsten Thematik
Samstag, 5.7.2014
8.30h Frühstück
9.30h-11.00h Historische Einordnung des 1. Weltkrieges: Wie konnte es zu dieser
Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts kommen?
Methodisch: Neben der Nennung und Klärung historischer Ereignisse werden die Jugendlichen durch Gesprächsszenen von fiktiven Personen aus der entsprechenden Zeit in das Thema hingeführt z.B. Gespräch zwischen dem deutschen Kaiser und seinen Generälen oder Gespräche von Leuten auf der Straße nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger und seiner Frau in Sarajevo oder Gedankenspiele der Generäle Frankreichs und Deutschlands und Österreichs und Russlands oder die Sichtweise der Pazifisten Berta von Suttner im Blick die auf die kriegerische Stimmung im deutschen Reich und in ganz Europa; …
Anschl. Frage- und Austauschrunde
11.30-13.00h Beginn der Arbeit mit der ARTE-Dokumentation „Tagebücher der Ersten Weltkrieges“
Episode 1: Der Abgrund (50 Min) anschl. Austausch
Der Sommer 1914 aus der Perspektive
o der 14-jährigen Marina Yurlova (Russland), folgt ihrem Vater heimlich an die Front
o des 17-jährigen Sohnes von Käthe Kollwitz, der voller Hoffnung und freiwillig, gegen den Willen seiner Eltern, in den Krieg zieht
o des 10-jährigen Yves Congar aus Sedan, der an einen schnellen Sieg Frankreichs glaubt
o der 12-jährigen Elfriede Kuhr, die den Kriegsbeginn an der Grenze zu Russland erlebt
Die Teilnehmer hatten die Aufgabe sich mit einer der Personen näher zu beschäftigen. In der Austauschrunde beschreiben sie deren Situation und Gefühle.
13.00h-14.30h Mittagessen und Mittagspause
14.30h-16.00h Episode 2: Der Angriff (50 Min) anschl. Austausch
o Der 48-jährige Brite Charles Edward Montague ist Pazifist, doch den Krieg empfindet er als Kampf zwischen deutscher Barbarei und westlicher Zivilisation. Er meldet sich freiwillig.
o Marina Yurlova (Russland) wird als Pferdemädchen in die Armee eingegliedert und erlebt das Sterben ihres einzigen Freundes an der Front.
o Louis Barthas muss Frau und Kind zurücklassen und wird zum Einsatz an der deutsch-französischen Front eingezogen.
o Der Österreicher Karl Kaiser wird an der Ostfront verwundet und gerät in russische Gefangenschaft.
Die Teilnehmer hatten die Aufgabe sich mit einer der Personen näher zu beschäftigen. In der Austauschrunde beschreiben sie deren Situation und Gefühle.
16.00h-16.30h Pause
17.00h-18-30h Aufsuchen von Kriegsgräbern rund um Peltre und Besichtigung der Säle im Kloster Peltre, die im 1. Weltkrieg als Lazarett dienten. Eine der Schwestern berichtet über diese Zeit.
18.30 Abendessen
19.30h-21.30h Film: Der Untertan (Nach dem Roman von Heinrich Mann)
Anschl. Austausch
22.00h-23.00h Tanzen (Hip Hop)
Sonntag, 6.7.2014
8.30h Frühstück
9.30h-10.00h Gemeinsames Sammeln von offenen Fragen und Strukturierung der Themen für den weiteren Verlauf des Wochenendes
10.30h-12.30h Bearbeiten der Themen in 4 Kleingruppen
KG 1: Was ist ein Held?
KG 2: Krieg als Geschäft?
KG 3: Das Ende des Menschseins – wie der Krieg die Menschen verändert.
KG 4: Der dumme Traum vom großen Land
Die Tln erarbeiten die Themen mit Hilfe von ausliegender Literatur und Bilder, sowie ihren eigenen Gedanken und Gefühlen.
Sie überlegen sich eine passende Präsentation ihrer Ergebnisse.
13.00h-14.30h Mittagessen und Mittagspause
14.30h-15.30h Präsentation der Ergebnisse
16.00h-17.30h Abschließende Runde: Was habe ich verstanden? Wie funktionieren Kriege?
Was können wir tun um Kriege zu vermeiden?
18h Abschluss und Abreise
Abschließende Bewertung
Die Jugendlichen haben äußerst motiviert an diesem inhaltlich anspruchsvollen Wochenende mitgearbeitet. Die schrittweise Annäherung an dass Thema Krieg und die Focussierung auf den 1. Weltkrieg wurde durch die ausgezeichnete Arte-Dokumentation zu einer spannenden Reise in diesen Zeitraum. Die Episoden der Doku erzählen vom größten und verheerendsten Krieg, den die Menschheit bis dahin erlebt hatte – und zwar aus der Sicht derer, die ihn unmittelbar am eigenen Leib zu spüren bekamen. Die Helden dieser Serie, sind nicht Generäle und Politiker, sondern die Soldaten in den Schützengräben; die Frauen, die in den Fabriken schuften, um die Arbeitskraft der Männer zu ersetzen; die Kinder, denen der Krieg zugleich als Abenteuer und Albtraum erscheint. Anhand ihrer Tagebücher und Briefe erzählen die Filme von 14 herzzerreißenden wie erschütternden Schicksalen dieses Krieges aus der Perspektive von Menschen aus acht Nationen. Den Jugendlichen ist deutlich geworden, dass Krieg überall Leid und Zerstörung hinterlässt. Diese nicht neue Erkenntnis wurde kognitiv und auch emotional untermauert. Für die deutschen und französischen Teilnehmer_innen ist erneut vor Augen geführt worden, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen mal war und wie glücklich wir heute sein dürfen, dass dieser Hass zwischen den beiden Völkern nicht mehr vorhanden ist.
Mehr Informationen
Deutsch-französisch-bosnisch/herzegowinisch, rumänisches Tanztheaterprojekt „Sarajevo_2014“ in Sarajevo des Dekanates Saarbrücken
Was für eine Zukunft erträumen sich junge Menschen in Sarajevo, nachdem ihnen das Erbe der schweren Kriege hinterlassen wurde? Was ist nach all den Kriegen aus dem „europäischen Jerusalem“ geworden? Wo sich einst alle Weltreligionen zuhause fanden und Multiethnizität das höchste Gut darstellte, was ist dort heute? Um das zu erfahren, haben sich 42 Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren aus Deutschland, Frankreich und Rumänien auf den Weg nach Sarajevo aufgemacht. Zwei Wochen verbringen sie gerade dort, gemeinsam mit 15 gleichaltrigen Sarajevoer. Ihre bisherigen Lebenserfahrungen, sowie gemeinsame Erlebnisse aus dieser geschichtsträchtigen Stadt verarbeiten sie in einer 50-minütigen Performance aus Musik, Licht und Tanz, namens #P.O. S.T. 14. Unter der Leitung der Kölner Choreografin Daniela Rodriguez und angetrieben von einer intensiven Klangkomposition von Carsten Thiele gewinnt das Stück Tag für Tag mehr Kontur. Die Jugendlichen aus Sarajevo verweben ihren Teil der jüngeren Geschichte Sarajevos in die Tanzperformance. Ein bewegender Prozess. Am Samstag, den 09.08. um 20 Uhr feiert das Stück seine Prämiere im Jugendzentrum in Grbavica. „Ich habe schon lange davon geträumt, mit einer Gruppe junger Menschen Sarajevo zu besuchen, einer Stadt, mit einer so bewegten multireligiösen und multikulturellen Geschichte“, sagt Heiner Buchen, der Ideengeber und Verantwortliche für das Projekt „Sarajevo_14“. Das Projekt des Dekanates Saarbrücken wird finanziert vom Deutsch-Französischen-Jugendwerk, der Robert-Bosch-Stiftung, dem Kulturministerium des Saarlandes und Renovabis. „Nach erfolgreichem Jugendtanzcamp im letzten Jahr in Spicheren, an der Deutsch-Französischen Grenze, zwei Staaten, die Jahrhunderte gegeneinander gekämpft haben und jetzt eine Freundschaft pflegen, und einer gelungene Tanzperfomance ,Grenzerde‘ waren wir bereit für Sarajevo.“, so Buchen. #P.O. S.T. 14 stellt eine Bildercollage über 100 Jahre europäischer Geschichte mit dem Fokus auf Sarajevo, dar. Angefangen von der Besonderheit eines frühen multikulturell-, multireligiösen Zusammenlebens, über das schicksalhafte Attentat am österreichisch- ungarischen Thronfolger und damit dem Beginn des 1. Weltkriegs über den Jugoslawienkrieg in den 90er Jahren bis hin zu einer Generation von jungen Menschen, die heute in Sarajevo leben und träumen. Angetrieben durch die Rhythmen des Hip-Hop, erfährt das Publikum von persönlichen Schicksalen in Kriegszeiten, von der Schwere und Trauer der Opfer, von Hoffnungslosigkeit, Gewalt und Ungerechtigkeit, aber auch vom Mut, der Hoffnung und der Kreativität, die allen Widerständen zum Trotz neue Perspektiven eröffnen.
So lief das Projekt
Einige Äußerungen von Teilnehmer_innen an dem Projekt im Sommer 2014 in Sarajevo:
Chloé-Lilla (13 Jahre): Ich glaube ich habe etwas für mein Leben gelernt. Auf die Nachfrage: "Was denn?", sagt sie: Ich komme mit nur wenigen materiellen Dingen aus. Das einfache Leben geht gut. Und ich kann meinem Rhytmus im Innen vertrauen, der mich auch beim Tanzen bewegt
André (15 Jahre): Ich bin ein sehr großer Junge - 1,88. Viel zu groß. Ich spiele normal Basketball, da ist das OK. Abe ich wollte tanzen und dachte, dass kann ein so großer Junge wie ich nicht. Aber ich kann es, nicht so schön und so gut wie Hannah oder Miguel oder viele andere, aber ich kann es auf meine Weise. Ich bin manchmal ein wenig komisch, aber ihr habt micht so gelassen wie ich bin - das war sehr cool.
Achmed (16 Jahre): Es ist schön das junge Leute aus Westeuropa hier zu uns nach Sarajevo kommen. Ich habe oft den Eindruck, dass niemand mehr sich für uns interessiert. Aber das wir jetzt hier ein Stück zum Ersten Weltkrieg und zum Krieg hier bei uns gemacht haben, ist richtig toll. Ich habe Vieles aus mir herausgetanzt, meinen Frust, meine Wut und auch die Traurigkeit meiner Eltern. Sie waren zur Premiere da. Sie haben gestrahlt für Freude. Das habe ich lange nicht mehr in ihren Gesichtern gesehen.
Hannah (19 Jahre): Morgens bin ich oft kurz wach geworden, durch den Muezzin von der Moschee neben der Schule, in der wir untergebracht waren. Seltsam schön. Er hat so zart und fast leise gerufen. Vielleicht wollte er uns, die Nichtmuslime, nicht wecken.