Das deutsch-französische Projekt richtet sich an junge Erwachsene ggf. Auszubildende pädagogischer Berufe aus den Hauts-de-France und Nordrhein-Westfalen. Ziel des Projekts ist, Kenntnisse und Informationen über die Zeit des 20. Jahrhunderts, insbesondere des Ersten Weltkrieges zu vermitteln. Über die Beschäftigung mit den europäischen Konfliktsituationen, die zum Ersten Weltkrieg geführt haben, soll nach Wegen gesucht werden, die ein friedliches Miteinander garantieren und weiter fördern.
Weitergehend sollen die Teilnehmenden sich interaktiv mit der Teilung Deutschlands und Europas vor 1989, mit der deutschen Wiedervereinigung mit den damit verbundenen neuen Freiheiten und Verantwortlichkeiten der Menschen und die Chancen für die europäische Integration und den Frieden in Europa beschäftigen, und somit eine eigene Einordnung der historischen Ereignisse in ihre persönliche, berufliche und politische Lebenswelt vornehmen.
Das Projekt soll dazu beitragen, exemplarisch Ansätze und Methoden aufzuzeigen, wie selbst (historische) abstrakte Themen, jungen Menschen authentisch näher gebracht werden können. Sie sollen ein Bewusstsein dafür bekommen, welchen Wert ein friedliches Zusammenleben in Europa hat und das jede(r) dazu beitragen kann, dass es so bleibt.
Das Projekt ist in drei zeitliche Dimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gegliedert und wird über zwei Kalenderjahre durchgeführt.
Europa - Blick zurück: Deutsch-französischer Begegnungszyklus in NRW und in den Hauts-de-France:
05.-10.06.2016 in Gummersbach (Nordrhein-Westfalen)
18.-23.09.2016 in Dunkerque (Hauts-de-France)
Aufgaben und Themen in Schulbüchern und –heften spiegeln herrschende Normen, Werte und Leitbilder einer Gesellschaft wieder. Ausgehend vom Schulalltag vor 100 Jahren findet die erste Annäherung anhand bearbeiteter deutscher authentische Schulhefte in einem Schulmuseum statt. Es werden Inhalte von Schul-Aufsatzthemen, der Gestaltung des Schulalltags sowie dessen erzieherische Wirkung und die Rollen-Prägung durch Familie und Gesellschaft nachvollziehbar bearbeitet. Im Mittelpunkt dieser ersten Annäherung an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erarbeiten sich die Teilnehmenden ein umfassendes Bild des Alltags, der Erziehung, der Werte etc., um die dazu gestellten Fragen zu beantworten.
Historische Orte der Erinnerung stehen im Mittelpunkt dieses zweiten Projektteils. Auf Wegen der Erinnerung in den Hauts-de-France werden von der anfänglichen Kriegsbegeisterung bis hin zu der unvorstellbar hohen Zahl an Kriegstoten anhand von Aufgaben und Themen in Schulbüchern und –heften über Kriegsrhetorik, herrschende Normen, Werte und Leitbilder der Gesellschaft reflektiert. Bestehende Unterschiede und Gemeinsamkeiten aus Schule, Familie und Gesellschaft werden herausgearbeitet, Stereotypen und Vorurteile erkannt und diskutiert.
Europa - hier und jetzt: Deutsch-französische Begegnung in Grenzgebiete, 27.11.-02.12.2016, Kehl
Dabei soll der Blick auf die Geschichte, die Hürden und die Erfolge der europäischen Entwicklung und Integration zeitlich erfasst werden. Es soll ein Bogen geschlagen werden von der Ausgangsbetrachtung vor 100 Jahren (Ausbruch des Krieges und der damit verbundenen Kriegsfolgen) über die europäische Entwicklung bis hin zum Europa von heute. Insbesondere soll der Demokratisierungsprozess in Europa verdeutlichen, welchen Wert ein europaweit gemeinsam demokratisch gewähltes Europäisches Parlament hat und dass es sich lohnt, sich aktiv zu beteiligen. Durch diesen Prozess der Bearbeitung sollen kulturelle, gesellschaftliche, politische und persönliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bewusst wahrgenommen, Stereotypen und Vorurteile erkannt werden, um so ein gemeinsames europäisches Bewusstsein zu fördern.
An allen Orten gehen den Teilnehmenden Fragen nach, wie der Prozess der europäischen Integration - nach wechselvollen Zeiten der Länder-Zugehörigkeit - von den Menschen an den verschiedenen Stationen erlebt und gelebt wurde. Dabei sollen kulturelle, gesellschaftliche, politische und persönliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bewusst wahrgenommen und erkannt werden, um so ein gemeinsames europäisches Bewusstsein zu fördern.
Während des Workshops werden von den Teilnehmenden bestimmte Programminhalte per Foto und Video dokumentiert. Welche Inhalte und welche Szenen, werden von den Teilnehmenden in binationalen Gruppen kreiert, konzipiert und dann aufgenommen. Ziel ist es, eine animierte GIF-Datei zu erstellen, die nach dem Seminar als „Fotostory“ in einer Internet-Plattform zusammengeführt wird. Diese Fotostory soll sowohl den Verlauf dieses interkulturellen Austausches, als auch Schwerpunkte der deutsch-französischen Geschichte und ihrer wechselvollen Beziehungen in einem europäischen Kontext wiederspiegeln, die die Teilnehmenden im Verlauf der Veranstaltung kennengelernt haben.
Europa – Vision: Deutsch-französische Begegnung in den Hauts-de-France
Die Teilnehmenden befinden sich in diesem Projektabschnitt nunmehr 20 Jahre weiter in der Zukunft. Mit Hilfe von Informationen, Bildern, Kurzfilme filtern sie Unterschiedliches aus Kultur, Gesellschaft, Umwelt etc. aus und entwickeln es für sich weiter. Angeregt durch diese Aspekte arbeiten sie in deutsch-französischen Teams ihre konkreten Erwartungen an ein zukünftiges Europa, das selbst eine Wunschvorstellung sein kann, heraus. Sie tauschen sich anschließend über die unterschiedlichen Zukunftsentwürfe aus, vergleichen, ergänzen diese und stellen Handlungsalternativen für zukünftige angenommene (Europa-)Ereignisse vor. Das zukünftige Europa wird aus ihrer Sicht entworfen und zeigt gesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten und persönliche Perspektiven auf. Leider hat dieses Projektabschnitt nicht stattfinden können.
Projektträger sind das Gustav-Stresemann-Institut e.V. in Bonn und der Verein Cefir in Dunkerque.
Programme
Programm des ersten Seminars:
Nach einer Kennenlernphase der französischen und der deutschen Gruppe sollen neben den täglichen Sprachanimation, die zur Förderung der Gruppendynamik und des sprachlichen Kompetenzerwerbs genutzt werden, folgende Kernelemente der Begegnung chronologisch bearbeitet werden:
Was uns historische Spuren sagen können: eine Erkundung zum Kennenlernen des Seminarorts und des historischen Umfeldes mit Hilfe eines Fragebogens in bi-nationalen Gruppen
Erziehung und Unterricht vor dem 1. Weltkrieg – Was war damals wichtig; die interaktive Teilnahme an einer Unterrichtsstunde vor 100 Jahren im Schulmuseum Bergisch Gladbach mit kommentierter Führung durch die Sonderausstellung des Schulmuseums
Anfang des langen 20. Jahrhunderts – Kriegseuphorie in Wort und Schrift: die vertiefende Auseinandersetzung mit der Seminarthematik anhand zeitgenössischer Prosa, Lyrik und Musik unmittelbar vor dem 1. Weltkrieg und aktuelle themenbezogene Beispiele aus der Gegenwart
Zeitgenössische Erziehung: Gehorsam, Fleiß, Disziplin und Ordnung: Theaterworkshop zum Kennenlernen von Darstellungsmöglichkeiten in Rahmen von Standbildern und kleinen Szenen in bi-nationalen Gruppen
Zusammen mit neuen Freunden über alte Gräben: gestern und heute – Fotostandbilder und Szenen zum Nachdenken, Teil I: Dokumentation der Arbeitsergebnisse der Workshops in bi-nationalen Gruppen
Zusammen mit neuen Freunden über alte Gräben: gestern und heute – Fotostandbilder und Szenen zum Nachdenken, Teil II: Präsentation der Standbilder und Szenen im Plenum mit anschließendem Gesprächsaustausch
Gesellschaftsbilder im heutigen Frankreich und im heutigen Deutschland – ein Ländervergleich: Workshop zum Kennenlernen beider politischen und gesellschaftlichen Systeme in bi-nationalen Gruppen mit anschließender Diskussion im Plenum
Während dieser Elemente findet eine ausführliche Dokumentation der bi-nationalen Arbeitsphasen anhand von Fotos und Videos statt. Im Anschluss an die inhaltliche Bearbeitung des Seminarthemas finden Individualauswertungen sowie Auswertungen im Plenum statt.
Plus d’informations
Im Rahmen des Deutsch-Französischen Seminarzyklus' arbeitet das Gustav-Stresemann Institut mit seinem langjährigen Partner, Cefir, zusammen. Cefir konnte mit der ESTS, der Ecole Européenne Supérieure en Travail Social in Lille einen engagierten Partner gewinnen, der je 15 Teilnehmende und zwei Begleiter zu den ersten beiden Begegnung in Bergisch-Gladbach und in die Hauts-de-France entsendet.
Auf deutscher Seite arbeitet das GSI mit einer UNESCO-Projektschule, dem Robert-Wetzlar-Berufskolleg in Bonn, zusammen. Auch das Berufskolleg wird 15 engagierte junge Auszubildende des Sozialwesens nach Bergisch Gladbach und den Projektort in Frankreich schicken.
Déroulement du projet
Die erste Begegnung fand in der Zeit vom 05.-10. Juni 2016 in Gummersbach statt. Die historische Schulstunde des Museums und der Theaterworkshop konnten einen sehr lebendigen Eindruck von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und insbesondere den Werten des Erziehungssystems kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs vermitteln. Der Kontrast zwischen der Geschichte des Krieges damals und der durch die Begegnung konkret erlebte Freundschaft zwischen jungen Menschen beider Länder heute war den Teilnehmenden sehr bewusst. Dies trug dazu bei, das Bewusstsein für die europäische Geschichte zu schärfen und sich den Wert der heutigen Partnerschaft zu verdeutlichen. Kleinere Einblicke gewannen die Teilnehmenden im Hinblick auf die europäischen politischen Dynamiken, die eine Rolle beim Ausbruch der Ersten Weltkriegs gespielt haben und welche Lehren daraus für die heutige Zeit gezogen werden können.
In Zusammenhang mit dem Erreichen der interkulturellen Zielsetzungen, kann man dem Seminar einen klaren Erfolg bescheinigen. Die deutschen und französischen Teilnehmenden waren die gesamte Woche über in engem Kontakt und verbrachten auch die informelle Zeit gemeinsam in gemischten Gruppen. Auf beiden Seiten war ein großes Interesse spürbar, sich besser kennenzulernen und auszutauschen. Dies war sowohl in- als auch außerhalb der Arbeitseinheiten zu beobachten. Die Kommunikation zwischen der französischen und deutschen Gruppe funktionierte so gut, dass die Gruppe den Wunsch äußerte, die Sprachanimation in Zukunft noch mehr für den Spracherwerb zu nutzen. Die Theaterarbeit war für den Großteil der Gruppe eine wertvolle und spannende Erfahrung.
Der dritte Teil des Projekts fand vom 27.11. bis 02.12.2016 in Kehl statt und widmete sich dem deutsch-französischen Grenzgebiet zwischen Straßburg und Kehl. Auch hier stellte der Erste Weltkrieg den Ausgangspunkt für die inhaltliche Gestaltung des Seminars dar. Ausgehend von den Grenzerfahrungen der Menschen in dieser Region wurde der Bogen weiter gespannt und sowohl über Grenzen auf Karten als auch im Kopf gesprochen. So wurde auch das Thema Flucht und Migration im deutsch-französischen und europäischen Kontext aufgegriffen.
Die Themen ‚Grenzen überschreiten‘ und ‚Flucht und Migration‘ zogen sich wie ein roter Faden durch das Programm und stellten den Ausgangspunkt für die Thematisierung aktueller sowie historischer Themen dar. Das Ziel, ein Bewusstsein für die Geschichte Europas zu schärfen, um aktuelle Sachverhalte und Ereignisse im historischen Gesamtkontext besser verstehen zu können, ist ein sehr komplexes Ziel, was sich sicher nicht in einem 4-tägigen Seminar vollständig erreichen lässt. Das Seminar gab den Teilnehmenden jedoch Anstöße, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und kann somit als Beginn für die Erreichung dieses Ziels angesehen werden. Die behandelten Themen und Workshops, aber auch der interkulturelle Kontext der Begegnung, ermöglichten es, kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erkennen und zu reflektieren. Auch die Sprachkompetenz der Teilnehmenden konnte durch die Sprachanimationen, den gemeinsamen Aufenthalt und das permanente Dolmetschen ausgebaut werden. Einige Teilnehmenden stellten nach ein paar Programmpunkten fest, dass sie durch die Übersetzungen vereinzelt Wörter in der anderen Sprache erkannt hätten. Das Ziel Normen, Werte und Leitbilder der Gesellschaft vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu erfahren bezog sich eher auf die ersten Teile des Projektzyklus. Der dritte Teil des Projekts fokussierte sich hier eher auf Normen, Werte und Leitbilder im aktuellen Europa. Die Lebensumstände der Menschen in Kehl wurden teilweise durch die interaktive Methode der Fotostory erfasst. Eine Gruppe berichtete beispielsweise, dass sie während der Fotorallye einen Zeitzeugen getroffen und interviewt hatten. Ein Foto war dabei zwar nicht entstanden, die Suche nach Motiven in der Stadt führte jedoch zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Stadt und ihrer Bewohner.